Handlung des Spiels

Null

Einleitung

The Elder Scrolls II: Daggerfall zeichnet sich durch eine ganz besondere Geschichte aus.

Reise in die Iliac-Bucht

Vierhundert Jahre nach der Herrschaft Tiber Septims trifft der Anfang auf das Ende, und der blutige Kreis schließt sich im Kaiserreich von Tamriel. Die unwürdigen Erben der Septim-Dynastie haben es den Banden des Kaiserreichs erlaubt, schwach zu werden und zu zerreißen. Uriel Septim VII. vermag nicht wiederherzustellen, was seine Vorfahren ignorierten. Wie vernachlässigte Kinder bekämpfen sich die vom Aufstand berauschten Provinzen untereinander, und eine unbezwingbare Macht versteckt sich dabei erst noch... wenn auch nicht für immer.

"Des Löwen Klauen stumpfe, grimme Zeit,
Die Erde laß verschlingen ihre Brut,
Entwaffne du des Tigers Grausamkeit,
Erstick’ den Phönix in des Feuers Gluth."
- Sonett 19

Im Jahre 2Ä 896 stieg ein edler Kriegerkönig mit Namen Tiber Septim aus dem Chaos der Bürgerkriege, die den Kontinent Tamriel überzogen, empor und erklärte sich zum Kaiser. Viele widersetzten sich seinem Anspruch und vergingen vor seiner Macht wie knisternde Flammenfunken. Als Septim im Jahr nach seiner Eroberung zum ersten Kaiser von Tamriel gekrönt wurde, verkündete er auch den Anbeginn einer neuen Ära, der Dritten Ära von Tamriel. Aber das ist für Euch alles nur alte Geschichte.

Ihr wurdet im Jahre 3Ä 375, während der Herrschaft des vierundzwanzigsten Kaisers von Tamriel, Uriel Septims VII., geboren. Die Zivilisation, die Tiber Septim den Untertanen seines Kaiserreichs aufzwang, ist beinahe zerfallen: wie die Schriftrollen der Alten vorhersagten, hat sich das blutige Rad beinahe ganz zur Anarchie zurückgedreht. Manche nennen es eine Laune Jephres, des Geschichtenerzählers, der Schicksal zu seinem göttlichen Vergnügen erschafft. Andere behaupten, die unwürdigen Erben Tibers hätten ihren Vasallenkönigen zu viele Freiheiten gewährt oder dass ihnen der militärische Genius ihres Vorfahren gefehlt habe. Einige wenige sehen auch den Charakter jener, die in der Arena von Tamriel leben, und bemerken, dass an einem solchen Ort niemand ein dauerhaftes Kaiserreich schaffen könne - Tiber müsse übernatürlichen Beistand gehabt haben, um seine Taten zu vollbringen. Solche Theorien überlassen wir allerdings wohl besser den Schriftrollenhütern in der Kaiserstadt oder den Psijics der Insel Artaeum. Tamriel ist, wie es ist.

Der gegenwärtige Kaiser ist für Euch kein Fremder. Ihr habt ihm in der Vergangenheit geholfen und wisst, dass er Euch als treuen Untertanen, vielleicht sogar als Freund betrachtet! Vertrauen ist ein Preis, den man von Uriel Septim nur schwer erringt. Er vertraute seinem letzten Kaiserlichen Kampfmagier, dem machtbesessenen Jagar Tharn, und das hätte ihn beinahe vernichtet. Sein derzeitiger Kaiserlicher Kampfmagier, Ocato von Erstburg, seit langem im Ältestenrat, hat sich allein die Position des Vertrauten und obersten Beraters des Kaisers verdient.

"Als Euch der Kaiser in seinen Audienzraum bestellt, seid Ihr nicht überrascht, dass er Euch bittet, nach Mitternacht zu erscheinen. Ihr seid daran gewöhnt, den Kaiser zu ungewöhnlicher Stunde zu sehen. Manchmal scheint es, dass Ihr für den Kaiser eine besonders gefertigte Geheimwaffe seid, die man insgeheim und fernab der neugierigen Blicke des offiziellen Hofes zieht. Eine vertraute Wache eskortiert Euch die vergoldeten Marmorhallen des Kaiserpalastes hinab zur Kammer des Kaisers. Auf dem Weg geht Ihr an altertümlichen Gobelins und Skulpturen vorbei, die sich Tiber Septim oder einer seiner nicht minder habgierigen Nachfahren angeeignet hatte."

Uriel Septim begrüßt Euch förmlich und in völliger Dunkelheit, während Ocato eine einzige Fackel entzündet, die kaum Licht spendet. Dies sollte selbst für den vorsichtigen Uriel Septim ein ungewöhnlich heimliches Treffen werden.

"Entschuldigt die Düsternis", hebt er an, "aber niemand darf von diesem Treffen erfahren. Mein Ungemach ist seinem Wesen nach noch finsterer. Es betrifft König Lysandus von Daggerfall, der vor über einem Jahr ehrenvoll auf dem Schlachtfeld starb."

Ihr wollt antworten, doch der Kaiser bedeutet Euch zu schweigen. Es ist ungewöhnlich für ihn, Euch keine Fragen oder Kommentare zu gestatten. Er scheint sich in dieser bestimmten Angelegenheit beinahe vor zu vielen Erkundigungen zu fürchten.

Ohne Unterbrechung fährt der Kaiser fort:

"Er war mir ein so wichtiger und treuer Untertan, Verbündeter und Freund, wie Ihr es seid. Ich habe um ihn getrauert ... und nun muss ich hören, dass sein Geist keine Ruhe findet. Er sucht sein einstiges Königreich heim und schreit nach Rache. Ich weiß nicht, warum ein so guter und treuer Mann hierzu verflucht sein sollte, aber vielleicht könnt Ihr die Antwort finden. Ihr könnt den unersättlichen Schlund des Reichs des Vergessens schließen und seiner Seele Frieden bringen. Ich bitte Euch darum als Euer Kaiser... und Euer Freund.

Ich habe noch einen anderen, unbedeutenderen Auftrag. Vor etlichen Jahren schickte ich an Lysandus' Gemahlin Mynisera, die Königin von Daggerfall, einen Brief. Nun lässt sie mich wissen, dass sie ihn nie erhalten hat. Die Botschaft war... sentimentaler und persönlicher Natur. Ich wäre sehr erleichtert, wenn Ihr diesen Brief finden und vernichten würdet."

Der Brief, so ahnt Ihr instinktiv, ist wichtiger als das. Aber Euch werden erneut keine Fragen gestattet. Der Kaiser verabschiedet Euch freundlich, aber unmissverständlich: "Nun, mein Champion, ruhet wohl diese Nacht, denn schon morgen segelt Ihr ins Königreich Daggerfall."

Ihr nehmt nur leichtes Gepäck, denn Ihr wisst welcher Art die vor Euch liegende Reise ist. Der Kaiser beabsichtigt, Euch auf einem kleinen, namenlosen Segelboot den Yrinthi hinab zum Bjoulsae zu schicken und von dort aus weiter über die Iliac-Bucht bis nach Daggerfall. Alle drei Gewässer, die Flüsse Yrinthi und Bjoulsae sowie die Iliac-Bucht, werden bekanntermaßen von Piraten heimgesucht, so dass demonstrativ verzierte Schiffe auch auffällig gut verteidigt sein sollten.

Diese Schiffsfahrt verläuft ereignislos, wodurch Euch die wochenlange Reise zur Iliac-Bucht noch länger vorkommt. Immer noch habt Ihr Tausende von Fragen über den Sinn dieser Mission: Wie Ihr den Geist von König Lysandus exorzieren sollt, welche Bedeutung dem Brief des Kaisers zukommt und wo dieser Brief wohl sein könnte. Ihr erkennt jedoch die Vergeblichkeit, über diese nicht zu beantwortenden Fragen nachzugrübeln und versucht stattdessen Euch alles ins Gedächtnis zurückzurufen, was Ihr über Daggerfall und das Gebiet der Iliac-Bucht wisst.

Ihr wisst um den Krieg, der Lysandus eingefordert hatte. Der sogenannte Betonienkrieg war ein für beide Seiten verheerender Konflikt zwischen den Königreichen Daggerfall und Sentinel. Umkämpft war eine kleine, aber politisch bedeutende Insel am westlichen Ende der Bucht nahe des Abeceanischen Meeres. In der letzten Auseinandersetzung dieses Kriegs, der blutigen Schlacht von Cryngaine, wurden die Könige beider Reiche getötet. In Sentinel übernahm die Königinwitwe Akorithi den Thron als Regentin, bis ihre Kinder volljährig würden. In Daggerfall folgte auf Lysandus sein Sohn Gothyrd. Aber Daggerfall gewann den Krieg und besaß damit die Insel Betonien.

Gothryds erste Handlung als König bestand darin, offiziell Frieden mit Sentinel zu schließen und als Unterpfand Prinzessin Aubk-i von Sentinel zu heiraten. Ihr wisst allerdings nicht, ob sich diese Verbindung als klug erwiesen hat.

Die dritte Hauptmacht an der Iliac-Bucht ist neben Daggerfall und Sentinel das Königreich Wegesruh, regiert vom älteren König Eadwyre und seiner Gemahlin Barenziah. Sie war einst die legendäre Königin von Gramfeste. Beide haben Kinder nahezu gleichen Alters aus früheren Verbindungen. Obwohl Ihr keine Einzelheiten kennt, erinnert Ihr Euch Gerüchte gehört zu haben, denen zufolge es Streit über die Thronfolge gibt. Gewiss würde sich ein Abstecher nach Wegesruh lohnen. Man sagt, es sei ein Königreich mit großen Reichtümern, ein Land, das die Kaufmannsklassen durch ihren Handel reich gemacht haben.

Euer Schiff segelt an den uralten Steinmauern von Wegesruh vorbei und der Bjoulsae geht in die atemberaubende Weite der Iliac-Bucht über. Eure Augen blicken vom Wasser in den Himmel auf. Im Westen herrscht völlige Dunkelheit - die sich mit furchtgebietender Heftigkeit zusammenbrauenden Wolken löschen die Sonne aus. Ihr wisst nicht, wie bald Euch der Sturm erreichen wird und erwägt, in den geschützten Hafen von Wegesruh zurückzusegeln. Aber Wegesruhs Kais sind nicht billig; die Kaufleute können von Reisenden auf der Flucht vor Piraten oder anderen Händlern verlangen, was sie wollen.

Anticlere liegt nicht weit viel weiter oberhalb an der Küste, und es muss auch noch andere kleine Fischerdörfer geben, in denen man anlegen kann. Es ist nicht einfach, die Entfernung des Sturms zu bemessen - vielleicht wütet er draußen im Abeceanischen Meer und ebbt ab, bevor er über die Bucht kommt.

Unglücklicherweise beginnt es nur ein paar Meilen westlich der Insel Balfiera zu regnen. Bald wird es so dunkel, dass Ihr Euer Boot kaum noch sehen könnt. Dafür könnt Ihr spüren, wie es jedesmal knirscht und knackt, wenn eine Welle die Seiten trifft. Das Wasser hat sich inzwischen zu einem schwärzlichen Violett verfärbt. Plötzlich ist Eure Vorstellung von den Fabeln über monströse Kreaturen erfüllt, die unter der Iliac-Bucht lauern sollen - unheimliche Tentakelgeschöpfe, Frauen mit den Körpern von Aalen, fleichfressende Fische ...

Ihr verdrängt diese Schreckensbilder und konzentriert Euch auf die gegenwärtige Gefahr. Der Regen stürzt wie ein endloser Speerhagel aus der Dunkelheit herab. Das Geräusch davon vereint sich mit dem Zusammenbrechen der Wellen, dem Splittern Eures Bootes und dem schrillen Heulen des Windes. Ihr werdet ebenso taub wie blind. Wie betäubt steuert Ihr Euer Boot in die Richtung, von der Ihr hofft, dass es Norden ist.

Eure letzten Gedanken gelten einem pechschwarzen Schatten, der vor Euch in den tiefgrauen Himmel aufragt - ist es die Klippenwand oder ein noch düsteres Wüten des Sturms? Eine Flutwelle schlägt über die Bordwand und spült Euch aus dem Boot. Als Ihr in die dunkle, brodelnde Bucht stürzt, seht Ihr noch, dass Euer Schiff, wie zur Nachahmung, ebenfalls unter Wasser gedrückt wird. Dann schlägt etwas gegen Euren Kopf.

Ihr seid dem Tod bereits sehr nahe, aber durch schiere Willenskraft gewinnt Ihr den Kampf gegen den reißenden Strudel unter dem Meer. Der Sturm hat sich zu einem widernatürlichen Unwetter gesteigert, wie ein lebendiges Ding unter dem Befehl eines bösartigen Nichtsnutzes. Mit verzweifelten, wild um sich schlagenden Händen findet Ihr eine hervorstehende Felszunge. Qualvoll langsam zieht Ihr Euch über den Rand der Klippe. Die Wellen donnern so heftig dagegen, dass die Felswand selbst Risse bekommt. Steine lösen sich aus der Klippe und verwandeln sich in tödliche Geschosse. Erst im letzten Moment, als die gesamte Klippenwand bereits ins wilde Meer zu stürzen beginnt und Euch mit sich reißt, seht Ihr die kleine Höhlenöffnung und rettet Euch in die Zuflucht.

Eure Augen haben sich kaum an die Düsternis der Höhle gewöhnt, als Ihr das Donnern hinter Euch hört. Einen Augenblick geratet Ihr in Panik... Ihr wurdet lebendig begraben! Aber dann erkennt Ihr den Tunnel - Euer einziger Weg nach draußen.

[Eine vollständig kommentierte Version dieses Texte befindet sich auf Tamriel-Almanach.de - Dieser Text wurde unter Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 veröffentlicht.]